Geweihte Jungfrau

Identität und Lebensform

Die geweihte Jungfrau (virgo consecrata) ist vor allem Braut Christi (sponsa Christi). Dies ist der Kern des Weihegebetes. Aus einem privaten jungfräulichen Leben, welches eine Frau über mehrere Jahre gelebt hat, wird ein öffentlicher Lebensvollzug der Kirche, der durch einen feierlichen Ritus durch den Diözesanbischof von der Kirche angenommen wird. Durch ihre Weihe wird die geweihte Jungfrau zu einem Zeichen, das auf die bräutliche und unzertrennliche Liebe der Kirche zu Christus hinweist. Die geweihten Jungfrauen sind dem Diözesanbischof zugeordnet und folgen keinen Konstitutionen oder Statuten. Die Weihe ist öffentlich, feierlich und unwiderruflich und stellt einen „unauflöslichen Bund“ mit Christus dar (vgl. OCV I, Nr. 17).

Die geweihten Jungfrauen, die gemäß dem approbierten liturgischen Ritus durch den Diözesanbischof in der Diözese aufgenommen werden, bilden eine ständige Form des geweihten Lebens in der Kirche, den Stand der geweihten Jungfrauen (vgl. can. 604 CIC).

Die Lebensform findet ihre Konkretisierung in der Diözese in der die geweihte Jungfrau lebt. Durch die Weihe gehören sie ganz Christus und der Kirche. Diese Einbindung ist nicht nur geistlicher Art, sondern wird durch ihren Wohnort im Bistum, ihre berufliche Tätigkeit, ihre Einbindung in der Pfarrgemeinde und mögliche apostolische Aufgaben konkret. Als Braut Christi, ist die geweihte Jungfrau zu einem Sein gerufen und wird nicht für eine Aufgabe geweiht.
Die Jungfrauenweihe verleiht weder ein Amt noch bestellt sie zu einem bestimmten berufli­chen Dienst in der Kirche. Ihre Weihe stellt sie weiterhin mitten in das säkulare Umfeld, in der ihre kirchliche Verortung zum Ausdruck kommt. In der Regel lebt die geweihte Jungfrau allein und ist für ihren Lebensunterhalt verantwortlich, ebenso für ihr geistliches Leben. Sie ist nicht Mitglied eines Institutes geweihten Lebens, einer geistlichen Gemeinschaft oder kirchlichen Bewegung.
Die geweihte Jungfrau trägt keine Kürzel hinter ihrem Namen wie ein Ordenschrist und wird nicht mit „Schwester“ angesprochen, sondern mit ihrem Namen.

Spiritualität

Die bräutliche Spiritualität der geweihten Jungfrau drückt sich in ihrer Liebe zu Christus, zu Maria und zur Kirche aus. Als Braut Christi lebt sie nach dem Vorbild Mariens in inniger Vereinigung mit Christus.

Die Wesenselemente der Spiritualität einer geweihten Jungfrau sind im Ritus der Jungfrauenweihe abgebildet. Wie das Weihegebet als besondere Quelle ihrer Spiritualität zum Ausdruck bringt, ist Christus ihre Ehre, ihre Freude, ihr Verlangen, ihr Trost, ihre Erholung, ihr Ratgeber, ihre Kraft, ihre Geduld, ihr Reichtum, ihr Heilmittel. In Jesus Christus findet sie alles (vgl. OCV I, Nr. 24).

Das Lob Gottes und das Gebet für das Heil der Menschen ist allzeit der Dienst der geweihten Jungfrau (vgl. OCVI, Nr. 28), zu dem sie sich durch die Tagzeitenliturgie im bräutlichen Dialog mit Christus vereint (vgl. SC Nr. 84), insbesondere durch das Gebet der Laudes und der Vesper.
Die geweihte Jungfrau schöpft in ihrem geistlichen Leben insbesondere aus der Hl. Schrift, aus den Sakramenten, aus dem inneren Gebet und aus dem reichen Schatz der spirituellen Quellen der Kirche.

Historische Entwicklung

„Schon in der Frühzeit der Kirche war es Brauch, Jungfrauen zu weihen. Daher wurde ein feierlicher Ritus geschaffen, durch den die Jungfrau zu einer gottgeweihten Person wird, zu einem Zeichen, das auf die Liebe der Kirche zu Christus hinweist, und zu einem Bild für die endzeitliche himmlische Braut und für das künftige Leben“ (OCV Allgemeine Einführung I, Nr. 1).

Im Lauf des 4. Jahrhunderts bildet sich der Ritus der Jungfrauenweihe vollständig aus. Der Vorsatz der Jungfräulichkeit wurde in einer feierlichen Liturgie vom Bischof entgegengenommen. Auch wenn in dieser Zeit kein Weihegebet dokumentiert ist, ist davon auszugehen, dass es ein solches gegeben hat. Es kann von einer fortschreitenden Ritualisierung ausgegangen werden. Von einem privaten Vorsatz der Jungfräulichkeit wird eine öffentliche, vom Bischof gespendete Weihe i.V.m. der Entgegennahme des Schleiers in der Kirche gefeiert. Ursprünglich gab die Verschleierung der Jungfrauen (velatio virginum) der Weihe den Namen.
Durch den Hl. Ambrosius von Mailand erfahren wir von der Jungfrauenweihe seiner Schwester Marcellina, die im 4. Jhd. im Petersdom in Rom unter Vorsitz des Papstes am Weihnachtstag stattfand. Aus den ambrosianischen Texten wissen wir, dass an Ostern das Sakrament der Taufe und die Verschleierung der Jungfrauen gefeiert wurden, die auch mit einer Einkleidung einherging.
Seit der Synode von Karthago (390) ist die öffentliche und feierliche Weihe dem Bischof vorbehalten. Die Synode von Hippo schreibt im Jahr 393 dasselbe vor.
Die ersten christlichen Jungfrauen lebten zurückgezogen in ihren Familien. Sie waren zu festen Stunden des Gebetes verpflichtet, zum Fasten, zur intensiven Beschäftigung mit dem Wort Gottes, zur Arbeit, insbesondere auch zur Sorge für die Armen. Ihr Lebensstil sollte einfach und ihrem Stand angemessen sein.
Nachdem in der Zeit vom 7.-12. Jh. das zönobitische Leben zur vorherrschenden Form des geweihten Lebens geworden war, beschränkte sich die Erteilung der Jungfrauenweihe zunehmend auf Nonnen in klösterlichen Gemeinschaften. In den Orden jedoch wurde der Ritus der Jungfrauenweihe immer mehr durch die feierliche Profess verdrängt; erst im 19. Jh. kam es zu einer Wiederbelebung.

In der Liturgiekonstitution des zweiten Vatikanischen Konzils wird die Überarbeitung des Ritus der Jungfrauenweihe gefordert (vgl. SC 80). Die damit beauftragte Kommission erarbeitete zwei Fassungen, eine für Nonnen (moniales) und eine für Frauen, die mitten in der Welt lebten. Der erneuerte Ritus wurde von Papst Paul VI. approbiert. Die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung hat am 31.05.1970 den Ritus veröffentlicht, der ab 06.01.1971 in Kraft getreten ist.
Für Frauen, die mitten in der Welt leben, eröffnete sich dadurch ein alter und gleichzeitig neuer Weg in der Kirche, der die Aufnahme in einen öffentlichen Stand des geweihten Lebens in der Kirche (Ordo Virginum) bedeutete.

Kirchenrechtlich

Der Codex des kirchlichen Rechts von 1983 erkennt diese Form des geweihten Lebens als einen eigenen Stand (Ordo) in der Kirche an und spezifiziert diesen rechtlich: Geweihte Jungfrauen sind solche, „die zum Ausdruck ihres heiligen Vorhabens, Christus in besonders enger Weise nachzufolgen, vom Diözesanbischof nach anerkanntem liturgischen Ritus Gott geweiht, Christus dem Sohn Gottes, mystisch anverlobt und für den Dienst der Kirche bestimmt werden“ (can. 604 §1 CIC). Die Weihe ist öffentlich, persönlich und auf Lebenszeit. Sie ist einmalig und unwiderruflich.

Can. 604 §2 CIC erwähnt die Möglichkeit der geweihten Jungfrauen, Vereinigungen zu bilden „um ihr Vorhaben treuer zu halten und den in ihrem eigenen Stande entsprechenden Dienst für die Kirche durch die gegenseitige Unterstützung zu steigern“. Eine Vereinigung kann auf diözesaner oder überdiözesaner (nationaler) Ebene gebildet werden und hat ihre Ziele in Übereinstimmung mit can. 604 §2 CIC klar zu definieren. Die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung schließt keine gemeinschaftliche Lebensform ein.
Die Vereinigungen gottgeweihter Jungfrauen sind keine Institute des geweihten Lebens und auch keine Zwischenstufen auf dem Weg zu einer Anerkennung als ein solches. Das Recht, Vereinigungen zu bilden, wird den geweihten Jungfrauen durch die cann. 298‒329 CIC erteilt, das heißt auf der Grundlage des allen Gläubigen gemeinsamen, natürlichen Rechts, sich zu Vereinen zusammenzuschließen. Can. 604 § 2 CIC spricht von der Möglichkeit, nicht von der Pflicht, eine Vereinigung zu bilden. Dabei ist festzuhalten, dass die geweihten Jungfrauen ihrem Diözesanbischof zugeordnet bleiben und das Recht, sich zu einer Vereinigung von Jungfrauen zusammenzuschließen, der Anbindung an die Diözese nicht im Wege stehen darf.